South East England
GB - England
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Was Hever Castle in Kent weit über die Grenzen Englands so bekannt macht, ist wohl seine Geschichte als Elternhaus und Kinderstube von Anne Boleyn, der unglückseligen zweiten Frau von Henry VIII, Königin von England für nur 1.000 Tage und Mutter einer der bedeutendsten Königinnen des Landes: Elizabeth I.
Und seine pittoreske Schönheit: Hever Castle ist ein wunderbarer Anblick; umgeben von einem Wassergraben, über dem es zu schweben scheint, und weitläufigen Gärten.
Das ursprünglich als Landsitz erbaute Gebäude 50 km südöstlich der Hauptstadt London, diente über Jahrhunderte hinweg 37 Besitzern aus 13 verschiedenen Familien als komfortabler Rückzugsort, darunter viele Adelige – einige von ihnen sogar von königlicher Abstammung.
Die Wappen in den Glasfenstern in der Long Gallery des Schlosses erinnern an die verschiedenen Besitzer von Hever Castle seit seiner Erbauung.
Diese Fenster dienten als Inspiration für das Logo von Hever Castle und die Flagge, die über dem Schloss weht. Die vier
Die prächtigen Räume beherbergen edle Möbel, Wandteppiche, Antiquitäten und „eine der besten Sammlungen von Tudor-Porträts nach der National Portrait Gallery“. Zwei besondere Schätze sind die kunstvollen Gebetbücher von Anne Boleyn mit ihren Notizen und ihrer Signatur.
Die Familie de Cobham: Von einer Motte-and-Bailey-Burg zu einer Burg aus Stein
Diese historische Burg wurde in drei Hauptphasen errichtet. Lange dachte man, dass die Burg im Jahre 1270 von William de Hever erbaut wurde. Neueste Forschungen deuten aber auf einen Bau im Jahr 1383 für John de Cobham hin. Vorher stand hier eine Motte-and-Bailey-Burg mit einer rechteckigen Großen Halle aus Holz. Darum befanden sich verschiedene Nebengebäude: Küche, Lager, Ställe, eine Molkerei und Werkstätten.
Das Torhaus und die Zinnen stammen aus dem 14. Jahrhundert, ebenso wie der einzigartige Fallgattermechanismus, ebenfalls aus dieser Zeit sind der Wassergraben, die Mauern, die Türme und eine Große Halle aus Stein.
Der Bereich hinter dem Torhaus wurde zu einem inneren Burghof, in dem sich separate Fachwerkgebäude befanden: die Küche, die Vorratskammern, die Ställe, die Backstube und die Wohnräume, die alle von einer steinernen Umfassungsmauer umgeben waren.
Die Außenwände der Burg waren aus einem Gemisch aus Kreidepulver und Wasser gekalkt, mit Verzierungen an der Vorderseite.
Die Familie de Boleyn: Ein König zu Besuch
Im Jahr 1462 ging die Burg an die Familie Bullen (Boleyn) über. Geoffrey de Bullen fügte an beiden Seiten des bestehenden Torhauses Flügel hinzu. Im Westflügel befanden sich die den privaten Wohn- und Schlafbereich der Familie und die Große Kammer. Darunter befand sich die Amtsräume des Kastellans und der Verwaltung. Der Ostflügel beherbergte verschiedene hauswirtschaftliche Einrichtungen wie die Wäscherei, die Molkerei und Unterkünfte für Gäste in den oberen Stockwerken.
Einige Jahrzehnte, nachdem die Familie Boleyn Hever übernommen hatte, wurde die berühmteste Bewohnerin, Anne Boleyn, geboren. Anne verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in Hever, und es ist bekannt, dass Henry VIII. sie hier besuchte. Thomas de Boleyn – der Vater von Anne – baute Hever noch weiter aus. Die Long Gallery hat er aber, anders als bisher gedacht, nicht errichten lassen.
Anne von Kleve: Ungeliebte Ehefrau und „gute Schwester des Königs“
Nach Annes Boleyns Tod ging das Schloss an Anna von Kleve, Henrys vierte Frau, womit Hever Castle zwei seiner sechs Ehefrauen zu den ehemaligen Bewohnern zählen kann.
Anna von Kleve fügte neben der Long Gallery auch die Treppengalerie im unteren Stockwerk hinzu, die die beiden Flügel des Hauses miteinander verband, und gestaltete die Decke des Speisesaals um. Diese bedeutenden Ergänzungen zeigen, dass Anne of Cleves eindeutig viel mehr Zeit auf Hever Castle verbrachte, als bisher angenommen wurde.
Als Anna von Kleve 1557 starb, fiel das Anwesen an die Krone zurück. In jenem Jahr wurde Sir Edward Waldegrave, ein Mitglied des Rates von Mary Tudor, zu einem der Kommissare für den Verkauf von Kronland ernannt und sicherte sich prompt das Schloss und das Anwesen.
Es wurde eine Treppe an der nordwestlichen Ecke des Schlosses gebaut, um eine Verbindung zwischen dem Morgenzimmer und dem Schlafzimmer von Anne Boleyn zu schaffen. Die Treppe wurde 1584 bis zur Langen Galerie verlängert. In einem weiteren Turm an der Ostwand wurde ein kleines Oratorium neben einem Schlafzimmer errichtet, um privat die Messe hören zu können.
Die Fenster in der Nordwand der Long Gallery wurden zugemauert, um die 1696 eingeführte Fenstersteuer zu umgehen. Erst 1898 wurden die Fenster wieder geöffnet. Die Terrasse an der Innenseite des Burggrabens wurde wahrscheinlich um 1715 angelegt, um das Schloss vor Feuchtigkeit zu schützen. Die hölzerne Zugbrücke wurde durch eine steinerne Brücke ersetzt, damit ein Pferd und eine Kutsche bis zum Eingang fahren konnten.
Das Anwesen wechselte mehrfach den Besitzer und wurde zunehmend reparaturbedürftig. Die nordöstliche Ecke des Schlosses stürzte unter dem Gewicht eines großen Schornsteins aus dem fünfzehnten Jahrhundert ein. Im Jahr 1838 wurde die Küche verlegt, möglicherweise weil der Turm Anzeichen von Rissen aufwies.
1895 übernahmen Kapitän Guy Sebright die Pacht des Schlosses und begannen drei Jahre später mit der Restaurierung des Gebäudes. Der Innenhof und das Erdgeschoss wurden abgesenkt, um den Umbau der beiden Flügel des Hauses in den Salon und die Bibliothek zu ermöglichen.
Die Familie Astor: Der reichste Mann Amerikas kauft Hever Castle
Im Jahr 1903 wurde es von William Waldorf Astor erworben. Er investierte viel Zeit, Geld und Phantasie, um die Burg zu restaurieren, dass “Tudor Village“ – ein Dorf außerhalb des Burggrabens im nachempfundenen Tudor-Stil – zu errichten sowie die Gärten und den See anzulegen.
Die Arbeiten im Schloss wurden 1906 und im Park 1908 abgeschlossen, 748 Männer waren mit den Arbeiten am Castle beschäftigt. Jedes Fragment der ursprünglichen Schlossstruktur wurde erhalten.
Die modernen Ergänzungen von Kapitän Sebright wie Türen, Schlösser, Fenster und Glas wurden durch Materialien ersetzt, die im Stil des sechzehnten Jahrhunderts verwendet wurden. Die Handwerker durften keine modernen Hobel verwenden, sondern nur Dechsel und Meißel.
Im Jahr 1963 öffnete sein Enkel Gavin das Schloss und die Gärten zum ersten Mal für die Öffentlichkeit. Nach den Überschwemmungen im Jahr 1968 wurden die Kosten für den Betrieb des Anwesens zu hoch, und das Schloss und die rund 3.000 Hektar Land wurden 1983 an den heutigen Eigentümer verkauft.
Die Burg befindet sich heute im Besitz von Broadland Properties Limited unter dem Vorsitzenden John Guthrie und ist der Öffentlichkeit zugänglich. Es werden Ausstellungen zu Henry VIII und Anne gezeigt, sowie die Dauerausstellung in der Langen Galerie über Geschichte von den Rosenkriegen bis zur Reformation anhand der Kunstsammlung.
Details zur Ausstellung „Catherine & Anne: Queens, Rivals, Mothers“ in Hever Castle 2023
Die Gärten
Das Castle bildet die Kulisse für die formalen Gärten, die von William Astor zwischen 1904 und 1908 angelegt wurden. Auf 50 Hektar erstrecken sich die verschiedenen Gartenbereiche. Sie bieten eine wunderbare Vielfalt, von denen das Eibenlabyrinth „Yew Maze“ das Berühmteste ist (geöffnet von April bis Oktober, je nach Wetterlage). Auf der Insel „Sixteen Acre Island“ wurde auch ein spritzender Wasserirrgarten gebaut, der vor allem bei Kindern sehr beliebt ist!
Von größerer gärtnerischer Bedeutung ist der italienische Garten, der speziell für die Sammlung von William Waldorf Astors italienischen Skulpturen entworfen wurde. Auch der von Mauern umgebene Rosengarten mit über 3.000 Pflanzen gehört, ist besonders schön.
In der Gartenanlage befindet sich auch ein 35 Hektar großer Sees, von der am Ufer liegenden Loggia aus eröffnet sich eine bezaubernde Aussicht. Zwei Jahre lang wurde gegraben, um den See anzulegen, und bis zu 800 Männer waren gleichzeitig mit den Grabungsarbeiten beschäftigt.
Die ältesten Pläne des Sees zeigen ein japanisches Teehaus an prominenter Stelle auf der Halbinsel von 16 Acre Island. Obwohl integraler Bestandteil der gesamten Landschaftsgestaltung, wurde es während des Zweiten Weltkriegs abgerissen, um Platz für einen Bunker zu schaffen. Das neue japanische Teehaus wurde 2013 von einer lokalen Holzrahmenbauer gebaut.
Man findet man in den Gärten eine Vielzahl von Wasserspielen, darunter Springbrunnen, Teiche, ein Wasserfall und der bereits erwähnte See. Klassische Statuen sind überall vorteilhaft platziert.
Erwähnenswert sind der Anne Boleyn’s Walk, der von Bäumen gesäumt wird, die vor über 100 Jahren gepflanzt wurden, der Tudor Garden und der Sunday Walk mit seinen Rhododendren und Büschen in Form von Schachfiguren.
Interessant für Kinder aller Altersgruppen ist auch die Ausstellung der Miniaturmodellhäuser. Diese Sammlung wunderbarer Miniaturen stellt das Leben vom mittelalterlichen England bis zur Zeit des viktorianischen Landhauses dar – im Maßstab 1:12.
Im Jahr 2022 besuchten fast 420.000 Besucher das Castle – ein neuer Rekord.
Wir danken dem Hever Castle für die Unterstützung. Die Bildrechte liegen dort oder (sofern angegeben) bei burgen.de.
Senioren ab 60 Jahre und Stundenten: £20,30
Kinder (5 bis 17 Jahre): £13,10
Familien: £61,10
(Stand 2023)
Die Preise gelten für Garten und Schloss. Wenn man die Tickets online kauft, sind sie etwas günstiger.
geschlossen
08.Februar bis 25.März 2023
täglich von 10:30 (Garten)// 12:00h (Schloss) bis 16:30h
26.März bis 28.Oktober 2023:
täglich von 10:30 (Garten)// 12:00h (Schloss) bis 18:00h
29.Oktober und 30. Oktober bis 17.November 2023:
Mittwoch bis Sonntag 10:30 (Garten)// 12:00h (Schloss) bis 16:30h
Letzter Einlass 90 Minuten vor Schließung.
(Stand 2023)
Alle Angaben ohne Gewähr. Öffnungszeiten können sich ändern. Bitte überprüfen Sie diese kurzfristig auf der Website.
England ist ein wunderbares Reiseziel, gerade für Geschichtsfans. Das milde Klima ist perfekt für die vielen traumhaften Gärten, die Küste bietet Strände zum Entspannen und Steilklippen mit Höhlen für Entdeckungen und atemberaubende Aussichten.
Beliebte Rundreiseziele sind z.B. die alten Grafschaften Kent, Surrey, Sussex und Oxfordshire.
Reisezeit
Die beste Reisezeit ist von Mai bis September. In der englischen Ferienzeit von Mitte Juli bis Ende August ist allerdings die touristische Hochsaison. Gerade die Regionen am Meer und die Nationalparks können dann ziemlich voll sein. Wer die vielen Gärten oder Parks besichtigen möchte, sollte sich auf die Haupt-Blütezeit im späten Frühjahr konzentrieren.Im Winter bzw. meist von Oktober bis Ostern sind viele Burgen und Schlösser geschlossen / nur eingeschränkt geöffnet.
Tickets
Richtig sparen kann man mit sogenannten Touringpässen. Die Preise erscheinen erstmal kernig, aber die Pässe rechnen sich ziemlich schnell, wenn man mehrere Objekte besucht.- Der National Trust Touring Pass ist momentan nur über die NT- Website verfügbar. Auch wenn von dort ein Link zum Shop von Visit Britain als Alternative angegeben wird, im Moment ist der Pass dort nicht zu finden. In Südost England sind einige der 500 Objekte des Trust zu finden. Hier finden Sie eine Übersicht.
- Der English Heritage Overseas Visitor Pass erlaubt freien Eintritt zu über 100 Denkmälern und archäologischen Stätten. Darunter sind Highlights wie Dover Castle in Kent, Battle Abbey und Pevensey Castle in Sussex. Eine Karte aller Objekte zur Reiseplanung finden Sie hier.
Reiseführer & Straßenkarten
- Wer England mit dem Auto oder WoMo erfahren möchte, sollte sich zur Vorbereitung einen guten Straßen Atlas zulegen - wir lieben es, ganz "oldfashioned" mit dem Finger auf der Landkarte zu reisen. Wir lieben dafür den [amazon link="0008447829" title="Collins Essential Road Atlas" link_icon="amazon" /].
- Als Lektüre und zur Vorbereitung verwenden wir gerne [amazon link="3616016339" title="DuMont Reiseführer Südengland" link_icon="amazon" /] und den [amazon link="3829746954" title="Baedeker Reiseführer England" link_icon="amazon" /]; für die Hosentasche hat uns [amazon link="382972750X" title="MARCO POLO Reiseführer England" link_icon="amazon" /] sehr gut gefallen.
Schmöker-Tipps zum Einstimmen
- Rebecca Gablé's [amazon link="B005246D1E" title="Von Ratlosen und Löwenherzen" link_icon="amazon" /] ist und bleibt unser Lieblingsbuch für den Einstieg in die englische Geschichte.
- Der Südosten gilt auch als der "Garten Englands", dem entsprechend gibt es dazu viel Literatur. Der unvergleichliche Garten von [amazon link="3836921782" title="Sissinghurst" link_icon="amazon" /] in der Grafschaft Kent ist untrennbar verbunden mit der Schriftstellerin Vita Sackville-West. Das Buch [amazon link="3954163497" title="Königliche Gärten" link_icon="amazon" /] von Stefanie Bisping beschreibt grüne Paradiese in ganz Großbritannien, darunter auch Hever Castle und Polesden Lacey.
- Die Reihe um den Donnerstagsmordclub von Richard Osman spielt in einer Seniorenresidenz in Kent. Ein orgineller Krimi - leichtfüßig und unterhaltsam. Band 1: [amazon link="B08NWCLGCV" title="Der Donnerstagsmordclub" link_icon="amazon" /]
- [amazon link="3548063101" title="Anne Boleyn: Die Mutter der Königin" link_icon="amazon" /] von Alison Weir macht uns bekannt mit der 2. Ehefrau von Henry VIII, die einen Teil ihrer Kindheit in Hever Castle verbrachte.
WEITERE NÜTZLICHE LINKS:
- Lust auf England macht die Website von Visit Britain.
- Wer England bereisen will, sollte sich intensiv die Websites des National Trusts und von English Heritage ansehen.