Auvergne-Rhône-Alpes
Frankreich
Lesezeit: 8 min
Das kleine Kurstädtchen Bourbon-l’Archambault liegt mitten im grünen Herzen des Bourbonnais. Seit der Antike ist sein Wasser berühmt für seine wohltuende und heilende Wirkung. Die Stadt gilt als die Wiege der königlichen Dynastie der Bourbonen. Hier gibt es drei Sehenswürdigkeiten zu besichtigen: die Burg selbst, der Turm von Qui-qu’en-grogne und das Haus der Kanoniker. Bei einer geführten Tour durch den Stadtteil Saintes-Chapelles, der berühmten, vielgelobten “Gélis-Didot”-Tour, kann der Besucher alle drei Orte entdecken.
Auf einer felsigen Landzunge überragen die Überreste des Herrensitzes und die drei Zinnentürme die Stadt. Das ausgeweidete Wohnhaus zeigt die Reste eines Kreuzrippengewölbes und monumentale Schornsteine. Die Türme verbergen noch viele Geheimnisse; sie präsentieren gemalte und gemeißelte Dekorationen von großer Originalität und architektonische Besonderheiten. Sie wurden zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert erbaut.
Der Ursprung der mächtigen Burg aus dem 15. Jahrhundert liegt im 10. Jahrhundert, doch schon in gallorömischer Zeit stand hier ein Heiligtum. Es gibt Chroniken die
von der Zerstörung eines Castrums an dieser Stelle im Jahr 761 durch Pippin den Jüngeren -Vater Karl des Großen- berichten. Im zehnten Jahrhundert gab es das Bourbonnais im heutigen Sinne noch nicht. An den Grenzen der vier Bezirke Auvergne, Nivernais, Berry und Autunois erhielten die Vorfahren der Bourbonen, wahrscheinlich kleine Herren fränkischer Herkunft, öffentliche Ämter aus der Hand von Karl III. dem Einfältigen. Etwa zwanzig Kilometer von Bourbon-l’Archambault entfernt, lag das Castrum von Deneuvre. Dessen Vizekönig zu Beginn des 10. Jahrhunderts war ein Lehnsmann des Herzogs Guillaume I. d’ Aquitaine. Dieser Herr mit Namen Aimard war der erste bekannte Vorfahre der Herren von Bourbon.Der Sohn Aimards mit Namen Aimon integrierte um das Jahr 940 das alte castrum borbonensis in seine Domäne und machte es zum Sitz seiner Macht, zur Grundlage der territorialen Expansion und zum Familiensitz. Die neue Burg war strategisch und militärisch interessanter als Deneuvre und lag an der Kreuzung wichtiger alter Wege. Die Herren von Bourbon nutzten die fortschreitende Auflösung der karolingischen Zentralgewalt ab dem Ende des 9. Jahrhunderts, um ihren Besitz in Richtung Auvergne und Berry auszudehnen.
Aimon II “Vaire-Vache” wird am Anfang des 12. Jahrhunderts direkter Vasal des Königs Louis VI von Frankreich. Eine höfische Erzählung aus dem Jahr 1287 handelt von einem Fürsten Archambaud (vielleicht Archambaud VII, Sohn von Aimon ” Vaire Vache “), der in eine schöne und wilde Prinzessin, Flamenca, Tochter von Gui de Nevers, verliebt ist. Der anonyme Autor beschreibt einen bereits mächtigen Herrscher und einen prächtigen Hof in Bourbon, der anfing, “Archambaud” genannt zu werden.
Im Jahr 1276 traten die Bourbonen durch die Heirat Robert von Frankreich – Sohn von Louis IX. (Saint Louis) – mit Beatrice de Bourgogne, Erbin der Herrschaft und Dame von Bourbon, in die königliche Familie ein. König Charles IV. von Frankreich machte das Bourbonnais 1327 zum Herzogtum und im darauffolgenden Jahr erhob Philipp VI. von Valois es in den Hochadelsstand. Louis, Sohn von Beatrice und Robert war damit der erste Herzog von Bourbon und Pair von Frankreich, nachdem er 1310 die Nachfolge seines Vaters als Sire von Bourbon angetreten hatte.
Zur Unterbringung der Passionsreliquien ließ Herzog Louis I. im Jahr 1310 eine Pfalzkapelle errichten. Sein Großvater König Luis IX. hatte 1238 dem letzten lateinischen Kaiser von Konstantinopel für die astronomische Summe von 135.000 Livres tournois Reliquien, u. A. einen Dorn und Teile des Wahren Kreuzes abgekauft. Diese wurden Robert von Frankreich zum Geschenk gemacht und kamen 1287 nach Bourbon.
Jean II., der sechste Herzog von Bourbon, gründete 1483 eine zweite Kapelle unter dem Namen Heiliges Kreuz, größer, schöner, prunkvoller, gebaut nach dem Plan der Heiligen Kapelle der Île de la Cité in Paris. Ihr Zweck war es alle daran zu erinnern, dass die Bourbonen kapetingisches Blut in ihren Adern hatten und dass auch sie Nachkommen des Heiligen Ludwig waren.
Der zweite Herzog von Bourbon, Peter I., starb 1356 in der Schlacht von Poitiers. Sein Sohn Louis war eine der Geiseln und Bürgen für das Lösegeld, das den Engländern für die Freilassung des in Poitiers gefangen genommenen Königs Jean II. des Guten zustand. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1366 übernahm die Regierung seines Herzogtums. Er und seine Nachfolger waren an der Seite der französischen Könige in die Auseinandersetzungen des Hundertjährigen Krieges verwickelt. Louis II. nahm während der Minderjährigkeit Charles VI. am Regentschaftsrat und an der Regierung der Onkel (hauptsächlich die Brüder Charles V.) teil, die die Regierung des Königreichs während der Wahnsinnsanfälle Charles VI. ab 1392 sicherstellte.
Auch wenn die militärischen Operationen des Hundertjährigen Krieges im Bourbonnais von untergeordneter Bedeutung waren, so haben die englischen und burgundischen Söldner doch genug Zerstörungen, Plünderungen und verschiedene Ausschreitungen angerichtet. In dieser Zeit wuchs die Macht des Herzogs, seine Verwaltungs- und Steuerkraft, und das Herzogtum Bourbon wurde zu einem echten Fürstenstaat.
Unter dem Fürstentum Louis II. wurden in den Jahren 1380-90 gigantische Befestigungs- und Ausbesserungsarbeiten an zahlreichen herzoglichen Festungen durchgeführt, darunter auch die Burg von Bourbon, die noch einmal stark verändert wurde. Die Festung aus dem 15. Jahrhundert ist das Ergebnis einer sehr langen Entwicklung, bei der fast jede Generation Veränderungen vorgenommen hat. Guy de Dampierre und Mathilde I. von Bourbon ließen Ende des 12. Jahrhunderts eine Burg im philippinischen Stil errichten. Auch Louis I., Louis II. und Jean II. unternahmen Arbeiten an ihrem Familiensitz.
Die Burg wurde von den Herzögen von Bourbon gegen Ende des 14. Jahrhunderts für die neue Burg von Moulins aufgegeben, obwohl in der ursprünglichen Burg, dem Stammsitz der Familie, die zweite Kapelle errichtet wurde. Das Schloss wurde zur fast ausschließlichen Residenz eines Châtelain und der Dienerschaft der Sainte Chapelle. Der Hauptmann vertrat die Herzöge und übte während ihrer Abwesenheit an ihrer Stelle die Banngewalt aus.
Im Jahr 1531 wurde das Bourbonnais von François I. der königlichen Domäne angegliedert und zu einer Generalität mit Sitz in Moulins. Nach der Annexion wurde das Schloss leergeräumt und verlassen und als Steinbruch genutzt. Die Kanoniker, denen die Bewachung der Heiligen Reliquien oblag, lebten jedoch weiterhin in der Umfriedung des verlassenen Schlosses und bauten sich zwei kleine Häuser im Hof in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Eines dieser Häuser gehört der Gemeinde Bourbon-l’Archambault und kann im Rahmen der angebotenen Führungen besichtigt werden. Die Kapellen wurden durch zwei Stürme in den Jahren 1589 und 1641 irreparabel beschädigt und waren am Vorabend der Französischen Revolution nur noch Schatten ihrer selbst.
Unter dem Namen Henri IV. kam 1589 nach der Ermordung des letzten Valois Henri III. ein Nachkomme des jüngeren Zweiges der Familie Bourbon-Vendôme auf den Thron. Er war der erste König der letzten Dynastie der Monarchen in Frankreich. Im Jahr 1661 wurde das Bourbonnais zum letzten Mal von Ludwig XIV. zum Herzogtum erhoben, zugunsten des Condé-Zweiges des Hauses Bourbon.
Nachdem die Familie Bourbon-Condé im August 1789 Frankreich verlassen und sich mit den Feinden des neuen Regimes verbündet hatte, wurde das Schloss verstaatlicht und gehörte zum Nationalen Eigentum und wurde 1792 verkauft. Ein Steinbruchmeister kaufte es und die Burg wurde abgetragen. Nur die drei Türme der Nordfront und das Wohnhaus blieben im Besitz von Louis XVI. und wurden nicht veräußert, was sie vor der Zerstörung bewahrte. Der Turm von Qui-Qu’en-Grogne wurde damals an das Rathaus von Bourbon verkauft. Der Rest wurde ein “offizieller” Steinbruch und die Burg verschwand allmählich.
Nach dem Vertrag von Wien 1815 kehrte es in den Besitz der Familie Bourbon-Conde zurück. 1830 vererbte der letzte Prinz von Condé, der ohne Nachkommen starb, sein Vermögen seinem Patensohn, dem Herzog von Aumale. Die Reste des Schlosses entgingen dem von den Vormündern des jungen Herzogs geplanten Abriss, dank der Intervention des lokalen Dichters Achille Allier, der in dieser Angelegenheit von Victor Hugo unterstützt wurde.
Der Vieux-Logis und die drei nördlichen Türme sind noch heute Eigentum der 1976 von Henri d’Orléans gegründeten Stiftung Saint Louis, die die Verwaltung an die Gemeinde Bourbon-l’Archambault delegiert hat, die ihrerseits einen Verein mit der Entwicklung und dem Schutz des Kulturerbes betraut hat, der noch immer der Verwalter der Stätte ist
Ein Begleitheft ermöglicht auch Besuchern, die dem Führer nicht folgen, den Rundgang mit den wesentlichen Informationen zum Verständnis der Anlage und der Geschichte der Bourbonen. Kästen im Text lenken die Aufmerksamkeit des Besuchers auf die Besonderheiten des Gebäudes.
Der Turm Qui-qu’en-grogne (dieser Name erinnert an den Widerstand der Bevölkerung gegen das Projekt des Herzogs von Bourbon, ihn zu befestigen), steht gegenüber der eigentlichen Burg und überblickt die Stadt. Hat Herzog Louis diesen Turm wirklich “bauen” lassen? Was war der Grund für seinen Bau? Was ist der Ursprung dieses überraschenden Namens? Von wann ist das Datum? Ist es nur ein Verteidigungsturm? Ist die Legende von einer Folterkammer im ersten Stock zu glauben? Ein Führer wird Ihnen all diese Fragen beantworten und über die Verwicklung der Herzöge von Bourbon in einen der schwersten Konflikte der europäischen Geschichte berichten, einen Konflikt, der ebenso eine entscheidende Etappe beim Aufbau des monarchischen Staates wie bei der Entwicklung der städtischen Macht war. Der Besuch endet mit einem Besuch im Kanonikerhaus, einem charmanten Haus aus dem 16. Jahrhundert.
Bei einer Führung durch das Chateau de Bourbon-L’Archambault wird Ihnen ein Führer die Hauptlinien der Geschichte der Familie Bourbon heraufbeschwören, wird die Überreste und die verschwundenen Gebäude beschreiben, wird Sie die Einzigartigkeit der Überreste des Wohnhauses und der Türme der Nordfront entdecken lassen und wird mit Ihnen zu einer Lesung der Steine übergehen. Von der Spitze der drei Türme aus erwartet den Besucher ein herrlicher Rundblick.
Wir danken den Verantwortlichen des Chateau de Bourbon-L’Archambault für Texte und Photos. Die Bildrechte liegen dort.
Montags geschlossen
Nebensaison:
Vom 9. Februar bis 10. April, vom 11. Mai bis 3. Juli und vom 31. August bis 6. November
Dienstag bis Samstag von 10:00h bis 12:00h und von 14:00h bis 18:00h - kostenlose Besichtigung des Schlosses
Führung durch das Schloss um 14:30h
Führung durch den Turm von Qui-qu'en-grogne um 10:30h
Hochsaison:
Vom 11. April bis 9. Mai und vom 4. Juli bis 29. August
Dienstag bis Samstag von 10:00h bis 19:00h und Sonntag von 14:00h bis 19:00h - kostenlose Besichtigung des Schlosses.
Führungen durch das Schloss um 14:30h und 16:30h
Führung durch den Turm von Qui-qu'en-grogne um 10:30h
Außerordentliche Öffnung (Sonn- und Feiertage): 4. und 5. April, 2. und 8. Mai, 13. und 16. Mai, 23. und 24. Mai.
Von 14:00h bis 18:00h kostenlose Besichtigung des Schlosses.
Führungen durch das Schloss um 14:30h und 16:30h
Ausnahmsweise geschlossen: 1. Mai und 14. Juli
(Stand 2021)
Alle Angaben ohne Gewähr. Öffnungszeiten können sich ändern. Bitte überprüfen Sie diese kurzfristig auf der Website.
Allgemeine Tipps Für Schlösser- und Burgentouren empfehlen wir das niederschlagsarme Frühjahr und den milden Herbst. Im Süden (z.B. im Katharerland) sollten Sie Touren gut vorbereiten (genug Wasser / Sonnenschutz LF 50) und nicht alleine gehen - die Orte sind zum Teil sehr abgelegen. WICHTIG: Checken Sie vor dem Besuch - gerade bei kleineren Schlössern - die Öffnungszeiten auf deren Website.
Tickets Viele französische Kulturdenkmäler gehören zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Europas. Bestellen Sie - sofern möglich - die Karten vorab. Gerade bei vielen Schlössern im Loire-Gebiet oder Orten wie der Abtei Mont Saint Michel haben Sie teils SEHR lange Wartezeiten.
Reiseführer Wir verwenden gerne den Baedeker Reiseführer Frankreich oder Lonely Planet Reiseführer Frankreich (Lonely Planet Reiseführer Deutsch). Als Hosentaschen-Reiseführer nutzen wir außerdem den MARCO POLO Reiseführer Frankreich: Reisen mit Insider-Tipps.
Lese-Tipps
- Mehr auf burgen.de: Unsere Frankreich-Übersicht | Liste der schönsten französischen Burgen & Schlösser | Übersicht Loire-Schlösser
- Die Website des Französischen Fremdenverkehrsamtes (www.france.fr) ist eine schöne Quelle der Inspiration. Merci beaucoup.
- Wer sich auf die Kultur vorbereiten möchte, dem empfehlen wir das Buch "So sind sie, die Franzosen: Die Fremdenversteher von Reise Know-How" (Knapp) - etwas bissig, aber voller humorvoller Einsichten.
- Die Romanreihe Fortune de France von Robert Merle erzählt in 13 (!) Bänden die Geschichte Frankreichs im 16. und 17. Jahrhundert. Ordentlicher Lesestoff - eine tolle Vorbereitung auf die Schlösser der Loire und all die Francois', Louis' und Henris, die einem in den Schlössern begegnen.
- Eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten des Mittelalters war Eleonore von Aquitanien. Ihrem Leben kann man sich mit "Die Löwin von Aquitanien: Historischer Roman" von Tanja Kinkel unterhaltsam nähern.